Achthundert Meter Unterschied

von Theresia Crone

Geschwister haben führt immer dazu, dass man Privilegien und Verbote vergleicht. Lange empfand ich es als unfair, dass meine älteren Brüder bereits in der zweiten Klasse ohne Begleitung zur Schule gehen durften. Ich hingegen durfte erst ab der fünften Klasse diese 800 Meter alleine zurücklegen. Heute, sechs Jahre später, verstehe ich die Sorgen meiner Eltern.

Mit ungefähr elf Jahren wurde ich das erste Mal belästigt. Bis heute kann ich mich an das beschämende Gefühl erinnern, das ich in diesem Moment verspürte. Vielleicht war es der Moment, indem ich erwachsen wurde. Zumindest wurde mir schnell klar, dass ich nicht mehr „nur Kind“ sein kann.

Je älter ich werde, desto häufiger muss ich Kommentare und Blicke von Männern aller Altersklassen dulden. Von Hupenden Autos bis zum Verfolgtwerden. In der U-Bahn und in der Schule. Auf der Straße und im Museum. Auf dem Dorf und in der Hauptstadt.

Häufig habe ich mich gefragt: Muss ich mich anders kleiden? Sollte ich nur nur noch in Begleitung auf die Straße? Sollte ich diese Erfahrungen für mich behalten?

Stattdessen musste ich in den letzten sechs Jahren lernen damit umzugehen. Doch so lange junge Mädchen sich solche Gedanken machen müssen, können wir als Gesellschaft ganz sicher sagen: Wir haben ein Problem.

Ich bin mir mittlerweile ziemlich sicher, dass all diese Maßnahmen das Problem nur verlagern und nicht lösen. Ich werde meinen Kleidungsstil nicht verändern. Und auch weiterhin ohne Begleitung das Haus verlassen. Ich kann die ständige Sexualisierung meines Körpers nicht vermeiden oder verschweigen.


Theresia Crone ist sechzehn Jahre alt und Schülerin der zwölften Klasse. Sie engagiert sich politisch bei „Fridays for Future“.

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